11.12.2018

Aus dem Alltag eines Bergretters

Thomas Abold (59) arbeitet seit nahezu 20 Jahren ehrenamtlich als Bergretter bei der Bergwacht Bayern. Genauer gesagt in Garmisch-Partenkirchen, wo er hauptberuflich als Schulleiter in der Kinderkranken- und Krankenpflegeschule tätig ist. 40 Mal ist er 2018 ausgerückt, um Menschen in Not zu helfen. Ohne Vorbehalte, selbst wenn Menschen aus Leichtsinn sein eigenes Leben riskieren. Was er in seinem Arbeitsalltag in den Bergen erlebt, wie eine Bergung abläuft und wie sich Unfälle vermeiden lassen, verrät er uns im Interview.

 

Thomas Abold

Herr Abold, wann werden Sie gerufen?

Abold: Die Bergwacht wird gerufen, wenn sich Personen im Gebirge verletzen oder nicht mehr weiterkommen. Das ist immer dort, wo die Zuständigkeiten oder Möglichkeiten des Landrettungsdienstes enden. Die Einsätze sind enorm vielfältig. So versorgen wir leicht verletzte Wanderer oder Mountainbiker genauso wie beim Klettern oder Gleitschirmfliegen abgestürzte Personen. Aber auch Bergsteiger mit sogenannten Blockierungen im exponierten Gelände befreien wir aus ihrer misslichen Lage.

Wie informiere ich die Bergrettung und wie läuft dann die Kommunikationskette ab?

Abold: Die Bergrettung wird wie alle Rettungsdienste in Deutschland über die integrierte Leitstelle (Notruf 112) gerufen. Die integrierte Leitstelle alarmiert über Funkmelder den Einsatzleiter der zuständigen Bereitschaft. Der klärt dann die Situation und übernimmt den Einsatz mit weiteren Bergrettern. Und er fordert ein geeignetes Rettungsmittel an. Über Funk sind alle an dem Einsatz Beteiligten laufend miteinander in Kontakt.

Was unterscheidet die Winter- von der Sommersaison?

Abold: Im Winter leistet die Bergwacht sogenannte Vorsorge-Dienste in den jeweiligen Skigebieten. Da sind auch die meisten Verletzen zu versorgen. Im freien Gelände sind Einsätze im Winter bedingt durch die Lawinenlage oder die frühe Dunkelheit oft besonders erschwert. Abgesehen von den Vorsorge-Diensten in den Skigebieten, müssen wir im Sommer besonders oft ausrücken, weil sich in der Urlaubszeit viele Menschen in den Bergen aufhalten.

Welche Faktoren erschweren eine Bergung?

Abold: Exponiertes oder schwer zugängliches Gelände, schlechte Witterungsverhältnisse, fehlende oder unklare Ortsangaben. Und auch Nebel oder Dunkelheit.

Wie kann man Ski- und Wanderunfällen vorbeugen?

Abold: Beim Skifahren gilt es defensiv, besonnen und vorausschauend zu fahren. Und man sollte seine Grenzen (Fahrkönnen und Kondition) realistisch einschätzen. Was Wanderungen betrifft, so ist eine vorausschauende Tourenplanung nach eigenem Können wichtig. Außerdem sollte man zuverlässige Hilfsmittel zur Orientierung mitführen. Genauso angepasste Ausrüstung. Man sollte Wege nicht verlassen und wenn möglich, nicht alleine unterwegs sein.

Welchen Einsatz werden Sie nie vergessen?

Abold: Viele Einsätze sind mir in Erinnerung, speziell wenn es um geglückte schwere Rettungen oder aber auch um Schicksale geht. Hier einen Einsatz zu favorisieren ist schwierig. Besonders heikel war jedoch ein Rettungseinsatz in exponiertem Gelände im Hochgebirge durch ein Gewitter. Ich musste nachdem ich beim Patienten am Jubiläumsgrat ausgesetzt wurde, mit ihm erst eine Gewitterfront über mich ergehen lassen. Erst dann konnte ich wieder vom Hubschrauber abgeholt werden.

Wie gehen Sie mit schlimmen Ereignissen um? Wie verarbeiten Sie sie?

Abold: Sehr wertvoll sind Reflexion und Gespräche mit Kameraden. Der Kriseninterventionsdienst (KID) der Bergwacht kann ebenfalls sehr hilfreich sein.

Wir danken ganz herzlich für das Interview!


So wird man Bergretter:

Die Ausbildung dauert ca. zwei Jahre. Sie gliedert sich in einen Sommer- und Winterteil. Voraussetzung für die endgültige Aufnahme sind zwei bestandene Eignungstests (Sommer/Winter). Dann kann man bei bestimmten Einsätzen dabei sein und mit erfahrenen Bergrettern erste Erfahrungen sammeln. Am Ende der Ausbildungszeit stehen mehrere Abschlussprüfungen im Sommer und im Winter.

Das sollte man mitbringen: Affinität zum Bergsport (Bergsteigen, Klettern, Skifahren, Skitouren); die Bereitschaft zum Engagement in einem Ehrenamt; gute Ortskenntnisse im Einsatzgebiet; Sinn für Gemeinschaft und Kameradschaft sowie Interesse an medizinischen Themen.

Achtung Bergungskosten: Die Krankenkasse kommt nur für Kosten auf, wenn auch eine Verletzung vorliegt. Für den Transport in ein Krankenhaus mit etwa einem Rettungshubschrauber zahlt sie nur, wenn die Gesundheit stark gefährdet ist. Anders ist es jedoch wenn man sich auf seiner Tour verläuft oder beim Klettern nicht mehr weiter kann. Dann muss man die Hilfe der Bergwacht aus eigener Tasche bezahlen. Eine Auslandsreisekrankenversicherung der ERV übernimmt nicht nur die Kosten für Behandlungen im Ausland, sondern erstattet auch Such-, Rettungs- und Bergungskosten.

Teile mit uns deine Erfahrungen.

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